FORMEN WEITEN
Vorüberlegungen zur Ausstellung
Eine Ausstellung beginnt nicht erst mit der Eröffnung. Sie beginnt viel früher – mit ersten Gesprächen, dem Innehalten im leeren Raum und der Suche nach einem Titel. Diese Phase ist geprägt von einer besonderen Aufmerksamkeit und Konzentration. Es ist die Zeit, in der sich kleine und große Fragen auftun, in der Assoziationen entstehen und verknüpft werden und vor allem in der erste innere Bilder entstehen.
FORMEN WEITEN – so haben wir unsere gemeinsame Ausstellung genannt. Zwei Worte, beide großgeschrieben, beide offen und eigenständig.
FORMEN Das klingt zunächst nach Skulptur, nach Körper, nach Gestalt. Doch Formen sind weit mehr als sichtbare Umrisse. Sie entstehen, wenn etwas in Bewegung kommt, wenn etwas sichtbar wird, was zuvor noch unsichtbar war. Eine Form kann wachsen, sich verwandeln und wieder vergehen. Wir geben Form und Form gibt uns Halt. Zudem sind Formen auch Vereinbarungen: eine Form wahren, eine Form verlassen.
WEITEN Hier klingt Bewegung an, Ausdehnung, Atem. Der Titel entstand im Gespräch über die Aquarelle von Edda Jachens. Ihre Schichtungen aus Farbe lassen Verdichtungen entstehen, dunkle Tiefen, die wie Tore wirken. Wer vor ihren Bildern steht, wird in diese Tiefe hineingezogen – und findet sich zugleich in einer Weite wieder, die nicht an Raum gebunden ist. Gerade im engen Dachgeschoss der Kreuzkirche mit dem alten Gebälk werden diese Bilder eine Öffnung ermöglichen, die über das Sichtbare hinausgeht.
Auch Skulpturen können eine solche Weite eröffnen. Sie tun es leise, indem sie als Gegenüber im Raum stehen – als lebendige Gestalten. Jede Skulptur weitet durch ihre Form den Blick und erinnert daran, dass Form nicht Enge bedeutet, sondern Bewegung, organisches Weitergehen. Und dass sie eine Einladung ist zum Sehen und Spüren.
Auch der Ausstellungsort selbst spielt eine Rolle: Als Friedhofskirche um 1455 erbaut, gelangte die Heilig-Kreuz-Kirche 1974 in städtischen Besitz und wurde in den achtziger Jahren als Veranstaltungsraum sorgfältig umgebaut. Ihr kirchlicher Charakter blieb dabei erhalten, und die Atmosphäre von Sammlung und Stille trägt sie immer noch in sich.
Als ich das Dachgeschoss zum ersten Mal betrat, spürte ich den Impuls, aus dem fensterlosen Raum hinauszuschauen und darin etwas zu erschaffen, was mit dem Raum über sich hinausweist. Vielleicht liegt genau darin die Verbindung: dass sich ein scheinbar begrenzter Raum plötzlich öffnet und etwas Weiteres erahnen lässt.
So wird FORMEN WEITEN zu einer Bewegung in beide Richtungen: nach innen und nach außen.
In der Begegnung mit Malerei und Skulptur, im Zusammenspiel von Dichte und Offenheit, von Dunkel und Licht, von Form und Auflösung.
Und vielleicht ist das auch eine Einladung an alle, die sich auf den Weg in diese Ausstellung machen: Formen zu spüren und Weiten zu entdecken.
Denn Formen sind nicht starr – sie wandeln sich.
Und Weite ist nicht fern – sie beginnt im Inneren.